Kirchlinteln. Die SPD-Fraktion im Gemeinderat Kirchlinteln möchte, dass die im Planentwurf zur Erschließung der Wohngrundstücke im Bereich der ehemals geplanten Seniorenwohnanlage vorgesehene neue Ringstraße „Hinrich-Heitmann-Weg“ heißen soll.

Damit würde die Gemeinde Kirchlinteln offiziell den mutigen Widerstand des Kirchlintler Einwohners Hinrich Heitmann (1898–1953) während der Nazizeit anerkennen und würdigen, heißt es in dem Antrag, der auf der vergangenen Bauausschusssitzung vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Richard Eckermann vorgestellt wurde.

Der 1953 verstorbene Kirchlintler Hinrich Heitmann arbeitete während des „Dritten Reichs“ auf dem Bremer Hauptbahnhof in der Güterabfertigung als Lademeister. Aufgrund dieser Position war er unabkömmlich und brauchte nicht in den Krieg. Seine Kollegen wurden durch sogenannte Fremdarbeiter, also Zwangsarbeiter, ersetzt. Diese wurden von Hinrich Heitmann ohne Unterschied zu den wenigen deutschen Mitarbeitern und Kollegen gut behandelt. Oft steckte er ihnen heimlich einen Kanten Brot zu, obwohl dieses durch das Nazi-Regime strengstens verboten war. Mutig blieb er trotzdem beim menschlichen Umgang mit den Fremden, auch wenn diese nach der Nazi-Ideologie „Untermenschen“ waren.

Hinrich Heitmann wurde denunziert und im September 1944 abends während seiner Spätschicht von der Bremer Gestapo auf der Arbeit festgenommen und eingesperrt. Er wurde ins Außenlager des Konzentrationslagers (KZ) Neuengamme, in das Arbeitserziehungslager Bremen-Farge gebracht. Seine Frau Dora und die fünf Kinder wurden lange Zeit im Unklaren gelassen, wo der Mann und Vater geblieben war. Erst nach fast zwei Wochen erfuhren sie den Aufenthaltsort. Nachforschungen eines durch den Güterumschlag mit Hinrich Heitmann bekannten Bremer Fischhändlers brachten Licht ins Dunkel. Rund drei Monate war Hinrich Heitmann interniert und wurde mit vielen anderen gezwungen, beim Bau des U-Boot-Bunkers Valentin zu arbeiten. Viele seiner Leidensgenossen starben unter den unmenschlichen Bedingungen. Auf Betreiben der Bahnhofsdienststelle wurde Heitmann schließlich glücklicher Weise freigelassen. Aufgrund der großen Personalnot beim Güterbahnhof konnte nicht auf den Lademeister verzichtet werden. Kahlgeschoren und entkräftet konnte er nach fast drei Monaten seine Frau und Kinder wieder in die Arme nehmen.

Nach dem Ende der Nazi-Schreckensherrschaft und des Zweiten Weltkriegs wurde er unter anderem aufgrund seiner für die damalige Zeit seltenen und äußerst mutigen Widerstandshandlung von den Befreiern gefragt, ob er nicht das Amt des Bürgermeisters in Kirchlinteln übernehmen möchte. Die beengten häuslichen Verhältnisse zwangen ihn aber zur Ablehnung dieses ehrenvollen Amtes.

Bei einem Besuch der Gedenkstätte Bunker Valentin im Jahre 2011 erfuhren die Kirchlintler Interessierten, dass in diese Lager oft Arbeiter kamen, die in irgendeiner Form Widerstand gegen das NS-Regime erkennen ließen. Meistens kamen diese Menschen nach rund acht Wochen wieder zurück an ihre Arbeitsstätte und dienten als abschreckendes Beispiel dafür, dass es ratsam sei, sich nicht gegen den Nationalsozialismus zu stellen.

„Die SPD-Fraktion ist der Auffassung, dass das mutige Handeln von Hinrich Heitmann auch heute noch beispielhaft für ein menschliches und urdemokratisches Widerstandleisten gegen Ausgrenzung, Hass und Nazi-Diktatur steht“, so Richard Eckermann in seiner Begründung. Solche Taten verdienten öffentliche Anerkennung. Menschen wie Hinrich Heitmann, die sich mit ihrem praktischen Widerstand im Alltag gegen die Nazis stellten, dürften nicht in Vergessenheit geraten. „Dies ist Verpflichtung für uns alle, die wir heute das Glück der lebendigen und erfolgreichen Demokratie in Deutschland erleben dürfen“, sagte Eckermann.

Eine angemessene offizielle Würdigung und Ehrung von Hinrich Heitmann durch den Rat der Gemeinde Kirchlinteln hat es bislang nicht gegeben. Die Gemeinde Kirchlinteln sollte deshalb die Chance, die sich mit der Benennung der neuen Ringstraße in seinem Heimatort Kirchlinteln ergibt, nutzen: Mit der Straßenbenennung nach Hinrich Heitmann kann die Gemeinde überparteilich ein – auch angesichts der aktuellen Erkenntnisse über die Terroraktivitäten von Neonazis – wichtiges demokratisches Zeichen setzen und Hinrich Heitmanns Widerstand und das Leiden, das ihm und seiner Familie wegen seines mutigen Handelns widerfahren ist, offiziell würdigen, anerkennen und ehren, heißt es weiter in dem SPD-Antrag.

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